Lass uns tanzen - Der vergessene Rhythmus
Es war einmal ein kleines, graues Dorf, in dem niemand mehr tanzte. Die Menschen gingen früh schlafen, saßen abends still vor flimmernden Fenstern, und in ihren Herzen war kaum noch Platz für Musik. Man sprach nicht mehr von alten Zeiten, man träumte nicht mehr von neuen.
Doch tief unter dem Pflaster des Marktplatzes, verborgen in einer vergessenen Kellerhalle, schlummerte der Rhythmus. Er war einst König der Nächte gewesen – ein leuchtendes Wesen aus Takt und Bewegung, geboren aus dem Lachen und Stampfen der Tanzenden. Doch seit Jahren hatte niemand mehr gerufen: „Lass uns tanzen!“
In einem Haus am Rand des Dorfes lebten zwei Freunde: Lino und Mara. Früher waren sie jede Nacht unterwegs gewesen, tanzten, bis der Morgen kam, und trugen den Rhythmus in ihren Herzen. Doch das war lange her.
Eines Abends, während der Fernseher leise murmelte und draußen der Wind spielte, sagte Lino plötzlich:
„Weißt du noch, wie wir früher in der Disco waren? Als der DJ Rock und Pop mischte und die Tische bebten?“
Mara lachte auf, ein wenig wehmütig. „Damals... als wir dachten, die Nächte würden nie enden.“
Ein leiser Ton vibrierte durch das Zimmer – kaum hörbar, wie ein vergessener Takt, der durch das Holz der Dielen kroch. „Hast du das gehört?“, fragte Mara. Lino nickte.
„Der Rhythmus lebt noch“, flüsterte er.
Von Neugier getrieben folgten sie dem Klang, hinaus in die Nacht, durch die stillen Gassen, bis hin zum alten Marktplatz. Dort begannen ihre Füße wie von selbst zu tanzen – erst zaghaft, dann immer kraftvoller. Der Boden bebte. Eine verborgene Falltür sprang auf.
Hinab stiegen sie in die Halle des vergessenen Tanzes. Bunte Lichter entzündeten sich von selbst, Lautsprecher erwachten zum Leben, und der Rhythmus – ein leuchtender, tanzender Schatten – erhob sich aus der Dunkelheit.
„Ihr habt mich gerufen“, sprach er. „Wollt ihr wirklich tanzen?“
„Bis Mitternacht die Tische beben!“, riefen Mara und Lino im Chor. Und so tanzten sie – wild, frei, mit all der Kraft vergangener Nächte.
Bald hörten auch andere Dorfbewohner die Musik. Einer nach dem anderen kam dazu. Alt und jung, steif und müde – alle fingen an zu tanzen. Und das kleine Dorf, das so lange geschwiegen hatte, wurde wieder lebendig.
Seitdem sagt man: Wenn du ganz still bist und tief in dich hineinhorchst, hörst du ihn – den alten Rhythmus. Und wenn du den Mut hast, dich zu bewegen, tanzt er mit dir.
Und wenn sie nicht müde sind, tanzen sie noch heute.
Zu diesem Märchen findest Du den passenden Song auf dem Album Edelstein von Kahl P , das auf allen bekannten Plattformen verfügbar ist - hier der Link zu YouTube