Gegen den Strom
Es war einmal ein kleiner silberner Fisch namens Finjo, der in einem großen, rauschenden Fluss lebte. Der Fluss war mächtig und voller Leben – aber auch voller Regeln. Alle Fische schwammen immer in dieselbe Richtung: flussabwärts. „So macht man das eben“, sagten sie. „Das war schon immer so.“
Finjo aber spürte etwas in sich, das anders war. Manchmal, wenn er träumte, stellte er sich vor, wie es wohl wäre, flussaufwärts zu schwimmen – dorthin, wo das Wasser frisch und kühl aus den Bergen kam. Dort, so glaubte er, müsste etwas Besonderes warten.
Eines Morgens, als die Strömung besonders stark war und alle Fische wie auf Schienen dahintrieben, hörte Finjo eine Stimme in sich:
„Lass nicht alles mit dir machen. Hol dir ein Stück Freiheit zurück.“
Und so drehte er sich um. Mit einem kräftigen Flossenschlag begann er gegen die Strömung zu schwimmen. Die anderen Fische sahen ihn entsetzt an.
„Bist du verrückt?“, riefen sie.
„Du wirst es niemals schaffen!“
„Du bist nur ein kleiner Fisch!“
Doch Finjo schwamm. Mal langsam, mal schneller, manchmal fast rückwärts gedrückt, doch er gab nicht auf. Auf seinem Weg begegnete er anderen, die ebenfalls wagten, anders zu schwimmen. Sie waren unterschiedlich – bunt, schillernd, eigenartig – aber alle hatten etwas gemeinsam: Sie wollten ihren eigenen Weg gehen.
Finjo lernte, dass Anderssein kein Fehler war, sondern eine Stärke. Und auch wenn er müde war und zweifelte, spürte er in sich eine Kraft, die größer war als die Strömung.
„Schwimm mal ein Stück bergauf“, sagte er sich, „du hast doch die Kraft.“
Am Ende seiner Reise, hoch oben in einem klaren Quellsee, fand Finjo, was er gesucht hatte: Stille, Freiheit – und vor allem sich selbst.
Und manchmal, wenn der Wind über das Wasser streicht, hört man ihn flüstern:
„Du bist nicht die Menge. Du bist ein Unikat.“
Zu diesem Märchen findest Du den passenden Song auf dem Album Edelstein von Kahl P , das auf allen bekannten Plattformen verfügbar ist - hier der Link zu YouTube